Liedersingen auf Litauisch, Englisch und Deutsch

Kindergarten „Saules Gojus“ fördert individuell musikalische und sprachliche Fähigkeiten

Gesine greift nach Martins und Martinas’ Händen und stimmt mit kräftiger Dreijährigenstimme ein fröhliches Kinderlied an. Zaghaft stimmen die beiden älteren Jungen ein: Erst singen die drei auf Litauisch, dann auf Englisch, schließlich kennen sie sogar die deutsche Variante des Liedes. Im neu gegründeten, knapp hinter dem östlichen Stadtrand von Vilnius gelegenen Kindergarten „Saules Gojus“ (Sonnenwäldchen) ist Mehrsprachigkeit etwas Selbstverständliches. Grund hierfür ist neben seiner internationalen Ausrichtung das bilinguale Konzept des Kindergartens: „Wir haben eine litauisch-deutsche und eine litauisch-englische Gruppe mit maximal je 15 Kindern, in denen sich die Erzieherinnen ausschließlich in diesen Sprachen an die Kinder wenden“, erklärt Berit Gundermann. Die ausgebildete Sozialpädagogin ist die Mutter von Gesine und arbeitet als „Native Speaker“ an zwei Tagen in der Woche im Kindergarten. Jakob, ihr Jüngster, fühlt sich im Sonnenwäldchen ebenfalls pudelwohl. „Nach dem erprobten Prinzip ‚eine Person – eine Sprache’ lernen die Kinder die zweite Sprache mühelos“, so die 32-Jährige. Der frühe Beginn mit Fremdsprachen fördere zudem die gesamte kognitive Entwicklung.

Diese Ansicht teilt auch Laima Sirutiene, die Direktorin der Einrichtung. Die erfahrene Pädagogin und landesweit bekannte Expertin für musikalische Früherziehung weiß, dass „die ersten Lebensjahre von entscheidender Bedeutung für die Förderung der unterschiedlichen Intelligenzbereiche und die gesamte weitere Entwicklung sind.“ Über Fortbildungsveranstaltungen im Ausland hat sie vom Erfolg mehrsprachiger Kindertagesstätten erfahren. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren jedoch ihre eigenen, in einer zweisprachigen Familie aufwachsenden Enkelkinder: „Wir hatten für Martinas und Emilija einfach keinen geeigneten Kindergarten finden können.“

Bis die beiden in den Kindergarten gehen konnten, hatte jedoch allerhand geschehen müssen: Nachdem ein passendes Anwesen an der Schumsker Landstraße gefunden worden war, half Laimas Familie von Anfang an bei der Verwirklichung dieses in Litauen bisher einzigartigen Projektes mit. Da wären zum einen die handwerkliche Unterstützung ihres Ehegatten Antanas oder die beratende Unterstützung ihrer Töchter Kristina, Dolmetscherin am Europäischen Parlament, und Dalia, Absolventin der Musikakademie und Chorleiterin. Auch ihr deutscher Schwiegersohn, Fremdsprachenlehrer Andreas Rodenbeck, brachte sich stark ein und hat beim Innenausbau des zweistöckigen Hauses mit angepackt. „Mit Unterstützung eines deutschen Architekten haben wir vernünftige und ökologische Lösungen finden können, die in Litauen ansonsten selten zu finden sind“, fasst der 34-Jährige die anstrengende Renovierungsphase zusammen. In verhältnismäßig kurzer Zeit konnte so mit Hilfe ortsansässiger Handwerker sowie dem tatkräftigen Einsatz befreundeter Familien das Haus im vergangenen Herbst renoviert werden. Nur die Außenarbeiten auf dem 5 000 Quadratmeter großen Gelände mussten auf den Frühling verlegt werden und sind zur Zeit im vollen Gange.

Eine der vielen Stärken von Saules Gojus sieht Laima Sirutiene neben der musikalischen Erziehung und der individuellen Förderung in dessen Naturnähe: „Im angrenzendem Wald können die Kinder jeden Tag stundenlang herumtollen.“ In diesem Sinne lege der Kindergarten ebenfalls viel Wert auf gesunde Ernährung und kaufe seine Nahrungsmittel ausschließlich bei ökologischen Erzeugern.
Besonders berufstätige Eltern wissen das Angebot zu schätzen, denn Saules Gojus ist für seine zwei- bis sechsjährigen Besucher nicht nur von Montag bis Freitag jeweils von 7.30 bis 19.00 Uhr geöffnet, sondern bietet darüber hinaus einen täglichen Fahrservice an.

Große Unterstützung erhält Saules Gojus auch vom Goethe-Institut Vilnius. Besonders der Leiter der Sprachabteilung, Roland Stumpf, involvierte sich von Anfang stark in das innovative Projekt und stellte den Kindern u.a. eine große Spielzeugkiste zur Verfügung – Geschenke, die der Kindergarten gern annimmt. Denn wie Laima Sirutiene betont, sei Saules Gojus eine öffentliche Einrichtung, die keinen Gewinn anstrebe: „Alle Familienmitglieder haben sich in der Anfangsphase verpflichtet, unentgeltlich zu arbeiten.“

Ronald Zieger

Baltische Rundschau 2005/06