Rassismusalarm in Italien

ITALY-MAFIA/AFRICANS Eine Serie von Übergriffen auf Immigranten schockiert die Öffentlichkeit. Die Regierung verurteilte die ausländerfeindlichen Übergriffe.

MAILAND. Sie schlugen Anna zu Boden, beschimpften sie, traten auf sie ein. Annas „Vergehen“: Sie hatte sich geweigert, ihren Platz im Autobus einer Mitschülerin zu überlassen. Der Angriff auf die junge Frau im norditalienischen Varese hat jetzt sogar den Vatikan auf den Plan gerufen. Denn Annas Eltern sind Einwanderer aus Marokko. Und die Attacke auf das Mädchen reiht sich in eine ganze Serie von Übergriffen gegen Immigranten ein.

„Italiens Regierung bekräftigt zwar, es gäbe keinen Grund, Rassismusalarm zu schlagen. Aber die Diskriminierung ist ein Faktum“, meinte Monsignore Agostino Marchetto, im Vatikan mit der Seelsorge für Migranten betraut, und bekundete Solidarität mit der jungen Anna. Und selbst Gianfranco Fini, Präsident der Abgeordnetenkammer und einst deklarierter Mussolini-Fan, warnte vor einem Erstarken der Ausländerfeindlichkeit in Italien.

Attacke mit Baseballschläger
Verkommt das Belpaese, das Land von Dante, da Vinci und Dolce & Gabbana etwa zum Land finsterer Rassisten? Eine Frage, die Italiens Innenpolitik und Medien schon seit Wochen bewegt. Erst die pogromartigen Ausschreitungen gegen Roma bei Neapel im Mai. Dann der Mord an sechs Afrikanern durch die Mafia im süditalienischen Städtchen Castel Volturno Ende September. Und schließlich die nicht enden wollenden Berichte über Immigranten, die auf Italiens Straßen verprügelt worden sind, wie etwa Ravan Ngone.

Der 39-jährige Senegalese hatte Anfang Oktober auf dem kleinen Markt in der Via Archimede in Mailand Handtaschen verkauft – zum Ärger einiger italienischer Händler. „Geh nach Hause. Du nimmst uns die Arbeit weg“, schimpfte einer von ihnen. „Ich muss auch essen, also muss auch ich arbeiten“, gab Ngone zurück. Der Streit eskalierte. Einer der Italiener ging mit einem Baseballschläger auf den Senegalesen los und verletzte ihn am Kopf.

Italiens Mitte-links-Opposition wirft der Mitte-rechts-Regierung vor, gleichsam mitschuldig an den Übergriffen zu sein: Die Koalition von Silvio Berlusconi habe mit ihrer harten Linie in der Ausländerpolitik für ein Klima der Xenophobie gesorgt.

„Das ist nicht in unserer DNA“
Die Regierung weist die Vorwürfe zurück. Sie verurteilte die ausländerfeindlichen Übergriffe. Und nach dem Mord an den Afrikanern in Castel Volturno beeilten sich Innenminister Roberto Maroni und Verteidigungsminister Ignazio La Russa, ein deutliches Signal zu setzen: Die Polizei startete umfangreiche Razzien gegen den Mafia-Clan, der für das Verbrechen verantwortlich sein soll.

Mehrere hundert Soldaten wurden in die Region verlegt. Fallschirmjäger errichteten Checkpoints. Doch auch ausgerechnet die Sicherheitskräfte waren zuletzt mit Rassismusvorwürfen konfrontiert – vor allem die Polizei von Parma. Zunächst gelangte das Bild einer afrikanischen Prostituierten an die Öffentlichkeit, auf dem sie halb nackt am Boden einer Zelle der Stadtpolizei liegt.

Dann sorgte der Fall des 22-jährigen Ghanesen Emmanuel Bonsu Foster für Aufregung. Er wirft Parmas Polizei vor, als „schmutziger Neger“ beschimpft und verprügelt worden zu sein. Zeugen bestätigen diese Angaben.

Ein Baustein mehr in einer Diskussion, die immer emotionaler geführt wird. „Parma ist nicht xenophob“, verteidigte nun etwa der Schriftsteller Alberto Bevilacqua seine Geburtsstadt. „Der Rassismus ist nicht Teil unserer DNA.“

 

Bild: (c) REUTERS (CHRIS HELGREN) – Proteste in Italien

 

AUSLÄNDER IN ITALIEN

  • Etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung Italiens besitzt nicht die italienische Staatsbürgerschaft. Dabei handelt es sich aber nur um die Ausländer, die offiziell gemeldet sind. Dazu kommt noch eine große Zahl von Personen, die sich illegal im Land aufhalten.

 

  • Die Mitte-rechts-Koalition von Silvio Berlusconi will vor allem gegen illegale Einwanderer härter vorgehen. Die Bestimmungen dazu finden sich im neuen Sicherheitspaket der Regierung.

Somalische Piraten entführen ukrainischen Waffentransport

ein Panzer vom Typ T-72 Somalische Piraten haben einen ukrainischen Frachter mit 33 Panzern des Typs T-72 und zahlreiche Munitionen entführt. An Bord befanden sich zum Zeitpunkt des Überfalls 17 Seeleute aus der Ukraine, drei aus Russland und einer aus Lettland, wie das ukrainische Verteidigungsministerium am Freitag bestätigte.

Verteidigungsminister Jurij Jechanurow erklärte, dass der Frachter “Faina” Waffen aus der Ukraine nach der kenianischen Stadt Mombasa habe liefern wollen. Der Empfänger sei die kenianische Regierung. Jechanurow betonte, dass das Waffengeschäft “legal” sei.

Russland hat am selben Tag angekündigt, gegen die Piraten im Gewässer Somalias verstärkt vor zu gehen und die russische Zivilisten und Schiffe besser zu schützen. Die russische Flotte in der Ostsee hatte bereits einen Zerstörer nach Somalia geschickt.

Russland ist nicht das einzige Land, das Kriegsschiffe zum Schutz seiner Frachter sendet. Im vergangen Monat wurden zwei malaysischen Tanker entführt. Als Reaktion setzte Malaysia Anfang dieses Monats drei Kriegsschiffe zum Schutz der Handelsschiffe ein. Der spanische Premier Jose Luis Rodriguez Zapatero rief vor kurzem China und weitere Länder auf, sich an den gemeinsamen Militäraktionen gegen Piraten in somalischen Gewässern zu beteiligen. Die EU wird voraussichtlich im Dezember Schiffe zum Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika entsenden.

 

Bild: ein Panzer vom Typ T-72 (Archivfoto)

Fünf Oppositions- Kandidaten boykottieren Parlamentswahl

“Vereinigte Bürgerfront” beklagt Behinderungen im Wahlkampf.

Minsk – Eine Woche vor der Parlamentswahl in Weißrussland haben fünf Oppositionskandidaten, darunter ein früherer Zentralbankchef, aus Protest gegen die Bedingungen auf ihre Kandidatur verzichtet. Die Politiker der Vereinigten Bürgerfront beklagten Behinderungen im Wahlkampf, wie die Agentur Belapan am Freitag meldete. Der umstrittene Präsident Alexander Lukaschenko hatte nach der jüngsten Annäherung an die Europäische Union versichert, dass die Wahl am 28. September demokratisch verlaufen werde.

Der Wahlboykott erfolge, weil die Behörden den Oppositionspolitikern das Drucken eigener Wahlkampfmaterialien verboten habe. Die Wahlleitung teilte dagegen mit, dass die damit beauftragte Druckerei der Oppositionszeitung “Narodnaja Wolja” (Volkswille) keine staatliche Drucklizenz habe. Der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerfront, Anatoli Lebedko, will aber weiterhin bei der Wahl antreten.

Nach jahrelanger Stagnation war in den vergangenen Wochen Bewegung in die Beziehungen zwischen Weißrussland und der Europäische Union gekommen. Auslöser war die Freilassung der letzten politischen Häftlinge. Die EU erwägt, Sanktionen gegen die Ex-Sowjetrepublik zu überdenken. Kritiker werfen Lukaschenko vor, eine Annäherung an den Westen zu inszenieren, um die eigene Position bei Verhandlungen mit Russland über einen neuen Stabilisierungskredit sowie über billigere Energielieferungen zu stärken. (APA/dpa)

Bild: (Keystone) Junge Weissrussen gehen auf die Strasse

OSZE sieht vor Wahl in Weißrussland viele Probleme

Minsk (AP) Ein echter Wahlkampf findet vor der Parlamentswahl in Weißrussland Ende September nach Ansicht von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht statt. Es gebe nur eine «schwache Aktivität» im Wahlkampf, der in einer «strikt kontrollierten Atmosphäre» stattfinde, erklärte die OSZE am Freitag. Oppositionskandidaten hätten sich aus dem Wahlkampf zurückgezogen und dies damit begründet, dass sie von den Behörden unter Druck gesetzt würden. Der autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko hofft, dass eine ordnungsgemäße Wahl die Europäische Union und die USA dazu bringt, ihre Sanktionen gegen das Land zu lockern. Um die 110 Sitze im Parlament bewerben sich am 28. September 282 Kandidaten.

Russland international isoliert

1289913832-g7-verurteilen-vorgehen-kaukasus Moskau (dpa) – Russland bleibt im Kaukasus-Konflikt international isoliert. China und mehrere Staaten Zentralasiens verweigerten am Donnerstag Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew eine demonstrative Unterstützung für die Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien.

Lediglich das eng mit Moskau verbündete Weißrussland stellte eine Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien in Aussicht. Die anderen in der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) zusammengeschlossenen Staaten forderten bei einem Treffen in Tadschikistan eine stärkere Einbindung der Vereinten Nationen. Die höchsten Gremien der UN und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berieten über die Lage im Kaukasus.

Der Moskauer Regierungschef Wladimir Putin warf den USA eine Manipulation des Kaukasus-Konflikts vor. Die Regierung des republikanischen Präsidenten George W. Bush habe Georgiens Führung dazu ermuntert, Südossetien anzugreifen, sagte Putin dem US-Sender CNN in Sotschi. Dies sei geschehen, um einem Präsidentschaftsbewerber zu nützen, zitiert der Sender Putin auf seiner Internetseite. Für das Amt des US-Präsidenten kandidieren der Republikaner John McCain und für die Demokratische Partei Barack Obama. Putin nannte in dem Interview aber keinen Namen.

Der UN-Sicherheitsrat kam zu einer ersten Dringlichkeitssitzung über die Kaukasus-Krise zusammen. Georgien hatte das höchste UN- Gremium um Hilfe gebeten. Bisher war der Sicherheitsrat wegen der aktiven Rolle Moskaus in dem Konflikt handlungsunfähig. Russland gehört zu den fünf ständigen Ratsmitgliedern und kann mit seinem Vetorecht jede Entscheidung blockieren. Die Aussichten für eine gemeinsame Resolution wurden deshalb als äußerst gering eingeschätzt.

In Wien beriet der Ständige Rat der OSZE über den andauernden Konflikt. Georgiens Außenministerin Eka Tkeschelaschwili machte Russland in ihrer Rede heftige Vorwürfe: «Das Territorium, das in der Sowjetzeit als Südossetien bekannt war, ist komplett von Überresten georgischer Bevölkerung gesäubert worden», sagte die Ministerin vor dem höchsten Exekutivgremium der OSZE. Der finnische Vertreter Antti Turunen sagte nach dem Treffen, sein Land verhandele als amtierender OSZE-Vorsitzender zurzeit über die Bedingungen für die Aufstockung bei der Zahl der derzeit 120 OSZE-Beobachter im Konfliktgebiet.

Die NATO wies russische Bedenken gegen ein Manöver des Nordatlantischen Bündnisses im Schwarzen Meer zurück. Dies habe nichts mit dem Konflikt um Georgien zu tun, hieß es in Brüssel. «Die Entsendung ist Routine und wurde vor mehr als einem Jahr geplant.» Vier NATO-Schiffe, darunter auch die deutsche Fregatte «Lübeck», sollten an Übungen mit bulgarischen und rumänischen Einheiten im Schwarzen Meer teilnehmen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einem Flächenbrand im gesamten Kaukasus. Deshalb müsse jetzt alles getan werden, um die Lage in Georgien wieder zu beruhigen, sagte er. Bis zu einer politischen Lösung in dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und Georgien würden vermutlich Jahre vergehen. Er hoffe, dass es mittelfristig gelinge, an die auch von Deutschland vorgelegten Lösungsvorschläge anzuknüpfen.

Am Montag treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel zu einem Sondergipfel über den Kaukasus-Konflikt. Nach Informationen der polnischen Zeitung «Dziennik» will Polens Präsident Lech Kaczynski dabei für Sanktionen werben – so solle es keine Visa- Erleichterungen für russische Bürger geben, auch sollten keine Abkommen mit Moskau geschlossen werden, solange der Kreml die Anerkennung der von Georgien abtrünnigen Provinzen nicht rückgängig macht. Kaczynski sucht Unterstützung bei den früheren Sowjetrepubliken Litauen, Lettland und Estland. Dafür wollte er sich am Donnerstagabend in Estlands Hauptstadt Tallinn mit seinen baltischen Kollegen treffen.

Ob es in Brüssel um Sanktionen gegen Russland gehen wird, blieb unklar. Der französische Außenminister Bernard Kouchner dementierte Berichte, denen zufolge er sich für Strafmaßnahmen ausgesprochen haben soll. Kouchner habe lediglich erklärt, dass Frankreich als EU-Ratspräsident eine gemeinsame Position anstrebe, wenn manche Sanktionen in Betracht zögen, erklärte das Außenministerium in Paris.

Polens Präsident berät sich vor EU-Gipfel mit baltischen Staaten

Warschau (dpa) – Der polnische Präsident Lech Kaczynski will sich vor dem EU-Sondergipfel zum Kaukasus-Konflikt mit den baltischen Staaten abstimmen. Kaczynski werde sich in Vilnius und Tallin mit Präsidenten oder Regierungschefs von Litauen, Lettland und Estland beraten. Das berichtete die Polnische Nachrichtenagentur PAP. Ziel der Gespräche sei die Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes vor dem EU-Gipfel am kommenden Montag in Brüssel.

Russland will Ostsee-Flotte mit Atomwaffen bestücken

Bahnt sich hier eine neue Ost-West-Konfrontation an? Russland will seine Ostsee-Flotte mit Atomsprengköpfen bestücken – zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges.

Die russischen Atompläne seien eine Reaktion auf die Pläne der Amerikaner für einen Raketenschutzschild in Europa, berichtet die „Sunday Times“. Demnach könnte Russland seine U-Boote (Archivfoto oben) in der Ostsee, aber auch Schiffe und Kampfjets der baltischen Flotte mit Atomwaffen ausstatten.

Die Ostsee-Flotte sei seit dem Ende des Kommunismus vernachlässigt worden. „Das wird sich jetzt ändern“, sagte ein ranghoher Militär der „Sunday Times“: „Angesichts der amerikanischen Entschlossenheit, ihr Raketenschutzschild in Europa zu installieren, werden in Moskau alle Pläne überarbeitet, um Washington eine angemessene Antwort zu geben.“

Der US-Botschafter bei der Nato, Kurt Volker, verurteilte die jüngsten russischen Drohungen.

Gerade erst hatte Moskau Polen mit einem Atomschlag gedroht, nachdem sich Warschau und die USA auf den Aufbau eines Raketenschutzschilds geeinigt hatten.

Jetzt die nächste Drohung: Russische Atomwaffen in der Ostsee – direkt vor den Küsten der EU.

Krieg:_Zwischen Konfliktmanagement und Propaganda

Die internationale Presse analysiert Kriegsprozesse im Südkaukasus, ihre Ursachen und Entwicklungsszenarien des Georgienkonflikts, der heute im Mittelpunkt des Interesses steht.

Die slowenische Tageszeitung DNEVNIK überlegt sich die Folgen des Eingreifens der Weltmacht Russland in den südossetischen Konflikt:

„Durch ein schnelles Ausbreiten des Krieges im Kaukasus könnte dieser in den nächsten Tagen über die georgischen Grenzen schwappen und Europa würde sich mit der schwersten Krise an seiner Schwelle nach dem zweiten Weltkrieg konfrontiert sehen. Der Krieg in Jugoslawien könnte im Vergleich zum kaukasischen Kessel auf die letzten Seiten der Geschichtsbücher verschwinden. Nach der Implosion der Sowjetunion war die Welt einem neuen Kalten Krieg noch nie so nahe. […] Die Zweifel an einer Rückkehr Russlands unter die Weltmächte sind nun endgültig verflogen. Die Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen werden neu definiert. Die Urangst vor dem russischen Bären hat neuen Auftrieb bekommen.“

Auf Seiten von GAZETY WYBORCZA aus Polen protestieren Präsidenten Estlands, Lettlands, Litauens und Polens gegen das russische Vorgehen. Die abgedruckte Erklärung der Staatsmänner lautet:

„Wir, die Führer der früher versklavten Nationen Osteuropas, jetzt Mitglieder der Europäischen Union und der NATO – Estland, Lettland, Litauen und Polen, äußern unsere große Beunruhigung über das Vorgehen der Russischen Föderation gegenüber Georgien. […] Als Antwort auf die einseitigen militärischen Aktivitäten der russischen Streitkräfte werden wir alle Mittel nutzen, die uns als Präsidenten zur Verfügung stehen, um sicher zu gehen, dass die Aggression gegenüber einem kleinen Staat in Europa nicht verschwiegen oder mit unbedeutenden Erklärungen abgetan wird, die die Opfer mit den Tätern gleichsetzen. […] Die EU und die NATO müssen die Initiative ergreifen und sich der Verbreitung der imperialistischen und revisionistischen Politik im Osten Europas widersetzen.“

Konservative Zeitung MAGYAR NEMZET aus Ungarn gibt Präsidenten Saakaschwili die Schuld für Gewalt im Kaukasus:

“Micheil Saakaschwili ist in Nöten. […] Obwohl er mit seiner Rhetorik die Weltpresse beherrscht, mal von einem klaren Sieg, mal vom Rückzug der Truppen spricht, mal von der Aggression Russlands, mal von Demokratie und westlichen Werten schwadroniert (nachdem er Demonstrationen zerschlagen, Wahlbetrug begangen und die südossetische Hauptstadt Zchinwali in Schutt und Asche gelegt hat), ist trotz des Rückenwindes aus dem Westen eines deutlich zu sehen: Der georgische Präsident hat sich ordentlich verkalkuliert. … Saakaschwili und Georgien haben möglicherweise den größten internationalen Konflikt seit Jahren vom Zaun gebrochen. … Der georgische Präsident hat seine Wünsche mit der Realität vermischt, und er hat sich dabei sichtlich verschätzt. … So rechnete er nicht ernsthaft mit Gegenschritten Moskaus. Oder sein Kalkül bestand schlechthin darin, Russland die Aggression in die Schuhe zu schieben. … Saakaschwili hat jedenfalls ein mächtiges Eigentor geschossen.“

Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA sinniert:

„Russland zeigt offen das Bedürfnis, seinen einstigen Großmacht-Status zurückzuerlangen. Die Leichtigkeit, mit der die russische Führung die Entscheidung über die Bombardierung georgischer Städte getroffen hat, muss schlimmste Erinnerungen wecken. Gerade deshalb entschlossen sich die baltischen Länder, die Ukraine und Aserbaidschan blitzartig zu diplomatischer Zusammenarbeit. Innerhalb der deutschen Regierung kann man eine beunruhigende Spaltung der Positionen zum georgisch-russischen Konflikt beobachten. Die deutlich pro-russische Deklaration des deutschen Außenministeriums und die wesentlich gemäßigteren Äußerungen aus dem Kanzleramt geben zu denken.“

Die Zeitung POSTIMEES aus Estland zieht Parallelen und befürchtet, dass es dasgleich widerfahren könnte wie Georgien:

„Nicht nur Estland, sondern auch die anderen NATO-Neumitglieder müssen ihre Versprechen an Georgien halten, und die Regierungen müssen Russland klar machen, dass die Allianz auf keinen Fall unterschätzt werden darf. Estland sollte sich auf keinen Fall der Hoffnung hingeben, dass uns nicht dasselbe widerfahren könnte wie Georgien. Russland hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass es seine Bürger überall schützen will, und in der letzten Zeit waren wieder häufig Klagen aus Moskau zu hören, in Estland würden Russen benachteiligt.“

Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY behauptet dagegen:

„Dieser Krieg war von beiden Seiten gewollt und provoziert […] Die Regierung in Tiflis geht dabei allerdings recht unerfahren vor. Ein Krieg gegen einen mächtigeren Nachbarn ist sicherlich nicht die geschickteste Art und Weise, die Integrität seines Territoriums zu verteidigen. Denn die Bemühungen, in Georgien eine Demokratie westlichen Typs zu errichten und den NATO-Beitritt zu erreichen, sind Russland ein Dorn im Auge.“

THE TIMES aus Großbritannien weist auf die Gefahren hin, die von Russland ausgehen:

“Georgien will vernünftigerweise enge Verbindungen mit dem Westen. Es sieht die baltischen Staaten als Präzedenzfall dafür, dass ehemalige Sowjetrepubliken die Mitgliedschaft der NATO suchen. Der Neoimperialismus, der von Moskau praktiziert wird, ist ein klarer Grund für Georgien, auf dieser Strategie zu bestehen. Russland kann nicht als ein plausibler Schiedsrichter in Streitfällen in dieser Region angesehen werden, wenn es nicht die legitimen Ziele anderer Staaten anerkennt. Die westlichen Regierungen, wie jede andere auch, wollen keinen Konflikt in dieser Region. Aber es hat seinen Preis, stumme oder zweischneidige Botschaften auszusenden. Russlands Verhalten ist unverschämt. Es sollte gewarnt werden, dass es den Status eines international Geächteten riskiert, sollte es sich nicht zurückziehen.“

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kritisiert das unverhältnismäßig harte Vorgehen Moskaus:

„Von Verhältnismäßigkeit im Sinne der vielen Theoretiker und Völkerrechtler kann keine Rede sein. Der brutale Einsatz von Kampfbombern und Raketen gegen georgisches Territorium und Wohnhäuser von Zivilisten als Antwort auf – wahrscheinlich provozierte – Übergriffe gegen russische sogenannte Friedenssoldaten zeigt dies überdeutlich. Verhältnismäßig ist das Vorgehen in russischen Augen dagegen schon: eine bewusst überproportionale Reaktion, um dem Nachbarn eine Lektion zu erteilen, die dieser nicht vergisst. Und um dem Westen vorzuzeigen, dass seine Macht enge Grenzen hat.“

Die niederländische Zeitung TROUW unterstreicht:

„Der Verlauf der Kämpfe zeigt nur, wie Recht die Balten, Polen, Georgier, Ukrainer und andere direkte Nachbarn Russlands haben. Nur die feste Integration im Westen, einschließlich der NATO-Mitgliedschaft, bietet Schutz gegen russische Einmischung.“

LE FIGARO aus Frankreich betont die Vermittler-Rolle des aktuellen EU-Ratspräsidenten:

“Die diplomatische Phase, die sich in Südossetien eröffnet, wird komplizierter sein als die begonnenen Kampfhandlungen. Jenseits des Schicks
als einer separatistischen Provinz Georgiens und bald einer zweiten, Abchasiens, sind es die gesamten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, die in der Waagschale liegen. […] Als Führer Europas befindet sich Frankreich in einer Hauptposition, um eine entscheidende Vermittlung für die Zukunft zwischen Osten und Westen durchzuführen. […] Zwischen den Vereinigten Staaten und Russland spielt die EU die wichtigste Rolle. Indem sie die deutsche Initiative bezüglich Abchasien verlängert, muss die europäische Diplomatie den Weg finden, eine Vermittlung mit Moskau zu eröffnen, um Frieden auf unserem Kontinent zu bewahren. Dies ist eine schwere Verantwortung für die französische Präsidentschaft.“

Die schwedische Zeitung SYDSVENSKA DAGBLADET aus Malmö beschreibt die Position Europas:

“Europa ist in der Georgien-Frage gespalten, und erst am Mittwoch wollen die EU-Außenminister formell über die Krise diskutieren. Mit Hinblick auf das bisherige Auftreten der Union gegenüber Russland besteht wenig Anlass zu Optimismus – zu groß ist die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Trotzdem muss die EU deutlich machen, dass sie das militärische Vorgehen Russlands gegen sein Nachbarland nicht akzeptiert, und ein mögliches Druckmittel wäre die Frage der Abschaffung des Visumzwangs für russische Bürger.“

Die spanische Zeitung EL PAÍS beschreibt Intervention Georgiens als tragischen Fehler:

„Die Entscheidung des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili zur militärischen Intervention in Südossetien war ein tragischer Fehler. Der Staatschef durfte trotz aller Provokationen der Separatisten das Recht nicht in die eigene Hand nehmen. Das gewaltsame Vorgehen gegen Ossetien ist nicht zu rechtfertigen. Die Entscheidung stellt aber obendrein auch einen politischen Fehler dar. Und daraus versucht Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin nun, Kapital zu schlagen.“

DER STANDARD aus Österreich entwickelt alternative Entwicklungsszenarien des Konfliktes, die gar nicht uninteressant sind:

„Wäre Georgien schon NATO-Mitglied, wie es vor allem die USA wollten, dann hätte die Allianz jetzt einen Verteidigungsfall. Amerikaner, Deutsche, Kanadier, Spanier – sie alle müssten den Georgiern zu Hilfe eilen und die anlaufende Invasion der Kaukasusrepublik zu beenden versuchen. Man kann es aber auch weiterdenken: Wäre Georgien Mitglied der Nato – kommenden Dezember wollten die Nato-Minister über den Beitrittsplan beraten -, wäre es gar nicht erst zu dem Krieg gekommen. Russland hätte nicht gewagt, Georgien anzugreifen, und Saakaschwili hätte es sich zweimal überlegt – mit freundlicher Nachhilfe des Westens -, ob er die anderen NATO-Staaten in einen Konflikt um eine winzige Separatistenprovinz ziehen dar.“

Die Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai erläutert, warum die Invasion Georgiens nicht im europäischen Interesse ist:

„Saakaschwili hatte fälschlicherweise angenommen, er könne mit den USA und dem Westen im Rücken Moskau nach seiner Pfeife tanzen lassen. Doch er hat nicht die Notwendigkeit gesehen, die Vor- und Nachteile seiner Handlungen für die USA und den Westen sorgfältig abzuwägen. Zwar sind diese immer weiter in den strategischen Einflussbereich Russlands vorgedrungen, aber eine militärische Intervention war gar nicht in ihrem Sinne. Denn die passt überhaupt nicht zu der heutigen Zeit, in der man auf Ausgleich bedacht ist und versucht, Konflikte auf dem Verhandlungswege zu lösen.“

von Michail Logvinov

EU fordert Russland zu Waffenruhe auf

Die EU-Kommission hat Russland zur sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen in Georgien aufgefordert. Eine Sprecherin sagte in Brüssel, das Überschreiten der Grenzen durch russische Truppen hätten die Dimension des Konflikts verändert Georgiens Präsident Michail Saakaschwili erklärte, er habe im Beisein von Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner eine einseitige Feuerpause unterzeichnet. Das hatte Moskau gefordert. Nach georgischen Angaben gehen die massiven russischen Angriffe weiter.

Bild: Georgiens Präsident Saakaschwili während einer Sitzung des Sicherheitsrates in Tiflis.

Konflikt im Kaukasus eskaliert

Georgien und Russland werfen sich gegenseitig ethnische Säuberungen vor, während die Situation in Südossetien noch unüberschaubar ist Vermutlich wollte die georgische Regierung die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Olympische Spiele für die eigenen Zwecke nutzen. als Präsident Mishail Saakaschwili am Freitag Truppen in die abtrünnige Provinz Südossetien einmarschieren und die Hauptstadt unter Beschuss nehmen ließ.

Mit einem Überraschungscoup sollte die Provinz vereinnahmt werden, in der nicht nur vor allem Menschen mit russischen Pässen leben, sondern auch russische “Friedenssoldaten” stationiert waren.

Die Konflikte in Georgien haben sich nicht nur lange aufgeladen, sondern sind längst bereits zu einem Streitfall zwischen Russland und den USA kulminiert. Mittlerweile wird auch in der zweiten abtrünnigen Provinz Abchasien gekämpft, die sich ebenfalls ganz von Georgien lösen will und nach Russland orientiert ist. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte sich Südossetien durch einen Krieg bereits eine faktische Unabhängigkeit von Georgien erkämpft. Im Zuge eines Waffenstillstands wurden 1992 die russischen “Friedenstruppen” stationiert. Auch wenn die Menschen mehrheitlich unabhängig von Georgien werden wollen, wurde ihnen dies bislang völkerrechtlich verwehrt. Die schnelle Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die USA hat den Konflikt ebenso zugespitzt, wie der Druck, den die USA auf die Nato-Partner ausübte, um Georgien in das Verteidigungsbündnis aufzunehmen, und die Waffenlieferungen an das Land.

Russland hingegen versucht, seinen Einfluss auf die Länder in der Region zu sichern und auszubauen, während es fürchtet, von den USA, deutlich im Falle der geplanten Installation des Raketenabwehrsystem an der russischen Grenze, eingekreist und bedroht zu werden. Und es geht auch wieder einmal um Öl, schließlich dient Georgien als wichtiges Territorium für Pipelines aus Zentralasien in den Westen unter Umgehung von Russland (Die längste Schlange der Welt; Rohrfrei in Fernost), das seinerseits die Kontrolle über die wertvollen Ressourcen zur Durchsetzung politischer Interessen nutzt (Die EU gibt Gas).

Ob Georgien mit der schnellen Reaktion Russlands am Freitag zur Eröffnung der Olympischen Spiele gerechnet hat, darf bezweifelt werden. Russland aber sah den Einmarsch georgischer Soldaten als Gelegenheit, nun selber militärisch eingreifen zu können, zum Schutz der eigenen Soldaten und zu dem der Bevölkerung. Inzwischen haben russische Flugzeuge auch Ziele in Georgien, beispielsweise in der Stadt Gori nahe Südossetien, angegriffen haben. Georgien lässt mitteilen, auch eine Pipeline sei bombardiert, aber nicht getroffen worden. Dadurch würden auch westliche Interessen gefährdet. Georgien hat bereits um Hilfe durch die USA gebeten.

Die russische und georgische Führung werfen sich wechselseitig vor, ethnische Säuberungen zu betreiben. Georgien bot am Samstag einen Waffenstillstand an, die Russen fordern einen völligen Abzug der georgischen Truppen, erklären aber auch, sie hätten noch keine offizielle Anfrage aus Georgien erhalten. Die Kämpfe gingen inzwischen weiter, russische Medien berichten von erneuten Angriffen auf Südossetien. Beide Seiten beanspruchen, die Hauptstadt Südossetiens eingenommen zu haben. Angeblich seien Tausende Zivilisten getötet und 30.000 Menschen aus Südossetien nach Russland geflohen. Der russische Regierungschef Putin hat seinen Besuch in Peking abgebrochen und ist in das Grenzgebiet gereist.

Georgien will seine Truppen aus dem Irak abziehen und seine Sportler von Peking zurückholen. Beides wohl auch Gesten gegenüber der US-Regierung, das Land stärker zu unterstützen. Georgien ruft die Welt zur Hilfe auf, Auch in Südossetien appelliert man an die internationale Öffentlichkeit, “die kleine Nation vor der Vernichtung zu schützen”. Ähnlich äußerte sich Saakashvili: The war is not about South Ossetia. It has never been in the first place. It is about destroying a small democratic nation aspiring to live in peace, freedom and liberty.” Die russische Regierung macht deutlich, dass es die Gunst der Stunde nutzen wird. Eine Wiederherstellng des Status quo sei nun nicht mehr möglich, sagte Putin, der gerade wieder agiert, als wäre er weiterhin der Präsident.

Bild: Bei der Bombardierung dieses Wohnhauses in Gori soll es mindestens fünf Tote gegeben haben (Reuters)

von Florian Rötzer