Förderinstitution und Netzwerk Schweizer Gerbert Ruef Stiftung im Baltikum

von Judith Benedikta Lewonig

BR: Wie kam es überhaupt zu einem Engagement der GEBERT RÜF STIFTUNG im Baltikum?

Franziska Breuning: Im Stiftungsstatut ist festgehalten, dass sich die Stiftung neben ihren Förderaktivitäten an schweizer Hochschulen auch in Osteuropa engagieren kann. Der Stiftungsrat hat dann konkretisiert, dass die Stiftung mit 10 bis 15 % der Erträge, das sind derzeit mehrere hunderttausend Franken, im Bereich Wissenschaftsförderung in den baltischen Staaten tätig wird. Im Frühjahr 2000 wurde das Programm begonnen, indem ein Diplomat, der als Botschaftsrat schon Erfahrung im Baltikum gesammelt hatte (Max Schweizer), beauftragt wurde, ein Programm zu initiieren und für die spätere Fördertätigkeit sozusagen in den baltischen Staaten „die Türen aufzumachen“. Es wurde in dieser Zeit mit einer relativ breiten Förderung begonnen – vom Schul- über den Hochschulbereich bis zum Bibliotheksbereich mit der Einrichtung von Schweizer Lesesälen und Leseecken. Sehr gut angelaufen sind Kooperationen, die mit einzelnen schweizerischen Hochschulen gestartet wurden und auf die aufgebaut werden kann. Nach einem breiten Engagement in den ersten zwei Jahren in Wissenschaft und Kultur sowie des Kontakteknüpfens erfolgt nun eine Fokussierung auf den Wissenschaftssektor.

BR: Wie sieht Ihr Programmauftrag nun aus?

Franziska Breuning
: Im Sommer letzten Jahres wurde das zweijährige Aufbauprogramm evaluiert und geprüft, wie ein den Strategien der Stiftung entsprechendes wissenschaftsbezogenes Programm für das Baltikum geschaffen werden kann. Die zwei Grundideen sind einerseits der Aufbau von Wissenschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und den baltischen Staaten und anderseits die akademische Nachwuchsförderung. Diese beiden Grundpfeiler sollen nun die Basis bilden für ein profiliertes Förderprogramm, wo auch nach außen sichtbar wird, was gefördert wird.
BR: Wo liegen die Förderungs-Schwerpunkte im Baltikum?
Franziska Breuning: Die Stiftung macht an sich Projekt- und keine Personenförderung. Für das Baltikumprogramm haben wir jedoch ein Kernprogramm Stipendien entwickelt. Hier ist die Hauptidee, junge Wissenschaftler zu fördern, indem ihnen die Möglichkeit eröffnet wird, für eine begrenzte Zeit in der Schweiz zu forschen. Wichtig dabei ist allerdings, dass sie nicht dauerhaft in der Schweiz bleiben. Das ist ein wichtiger Punkt: Die Idee ist, dass die Wissenschaftler an den hervorragenden Schweizer Hochschulen sehr avancierte Methoden kennen lernen und damit zu Hause ihre Arbeiten noch besser machen können als sie es jetzt schon tun. Mit diesen jungen Leuten soll sozusagen in den Aufbau der Demokratie nochmals ein frischer Wind hineinkommen.
BR: Stehen bestimmte Studienrichtungen im Vordergrund?
Franziska Breuning: Das Stipendienprogramm steht prinzipiell allen Fächern offen. Die gegenwärtigen „Junior Research Fellowship Programme“, welche die Stiftung in Kooperation mit Schweizer Hochschulen durchführt, sind aufgrund der Bedürfnislage auf Rechts- und Wirtschaftswissenschaft ausgerichtet. Der dritte Bereich Natur- und Ingenieurwissenschaften stellt aufgrund der exzellenten eidgenössischen Hochschulen eine Attraktion für alle ausländischen Nachwuchswissenschaftler dar.
BR: Und welche Möglichkeiten bieten sich für Interessierte außerhalb dieser Fachrichtungen?

Franziska Breuning:
Für Forschungsaufenthalte können sich Interessierte auch direkt bei der Stiftung bewerben. Für hervorragende junge Wissenschaftler, die nicht in unsere fachspezifischen Stipendienprogramme passen, vergibt die Stiftung seit diesem Jahr fünf individuelle Stipendien jährlich.
BR: Welches Alter ist angesprochen?
Franziska Breuning: Grundsätzlich sind Postgraduierte bis 32 Jahre unsere Zielgruppe.
BR: Wie ist die Stiftung außerhalb des Kernprogrammes Stipendien im Baltikum tätig?
Franziska Breuning: Es gibt weitere Förderprogramme wie „Science Visits“ für Interessierte, die an Konferenzen in der Schweiz teilnehmen wollen.
Darüber hinaus engagiert sich die Stiftung auch im Experten-Austausch in beiden Richtungen, zum Beispiel halten Schweizer Professoren Vorlesungen an Universitäten im Baltikum, wie Ende April im Rahmen von Schweizer Wissenschaftstagen an der Universität Siauliai und im Mai an der Rechtsuniversität Vilnius. Auch an der Architektur-Sommerakademie der Technischen Universität Riga werden Schweizer Vertreter teilnehmen.
Wir fungieren hier oft und gerne auch als Kommunikationsstelle. Die GEBERT RÜF STIFTUNG versteht sich gleichermaßen als Förderinstitution sowie als Netzwerk und Knotenpunkt, durch deren Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wertvolle Synergien entstehen. Extrem gut ist auch die Kooperation mit den Botschaften und dem Generalkonsulat in Vilnius. Und es ist schön, dass das Engagement einer privaten Stiftung so große Anerkennung findet.
BR: Und die Stiftung vergibt Preise…
Franziska Breuning: Jährlich ergeht der mit 5.000 Franken (3.300 Euro) dotierte „Swiss Baltic Net Prize“ der GEBERT RÜF STIFTUNG in Kooperation mit der Universität Freiburg an eine Person oder Institution, die sich in besonderer Weise um die schweizerisch-baltischen Beziehungen verdient gemacht hat. Erstmals in diesem Jahr vergeben 15 baltische Universitäten „Swiss Baltic Net Graduate Awards“ in Höhe von 500 Franken (330 Euro) für herausragende Leistungen von Graduierten der jeweiligen Universität.
BR: Wie sieht die Zukunft der insgesamt 13 Schweizer Lesezimmer bzw. Leseecken aus?
Franziska Breuning: Die Förderung dieser Einrichtungen mit Büchern, Zeitschriftenabonnements und Veranstaltungen ist auch weiterhin Bestandteil unseres Programms. Im Rahmen eines Schweizer-Lesezimmer-Tages im Juni werde ich mit allen Leitern über Möglichkeiten der Kooperationen diskutieren.
BR: Die GEBERT RÜF STIFTUNG hat ihren Sitz in der Schweiz…
Franziska Breuning: Ich bin in Basel tätig, meine litauische Kollegin Egle Tamosaityte betreut unser Koordinationsaußenbüro an der Technischen Universität Kaunas in Litauen.

Bildunterschrift: Dr. Franziska Breuning, in der Nähe von Stuttgart aufgewachsenen, ist promovierte Kulturwissenschaftlerin. Foto: BR

Baltische Rundschau Mai 2003, S. 10

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