Das etwas andere Gymnasium

Deutsche Sprache und Musik im Mittelpunkt

Am Samstag, dem 8. Mai, stand der Vilniusser Stadtteil Uzupis ganz im Zeichen der Feier des 60jährigen Gründungsjubiläums des Uzupis-Gymnasiums. Eingeladen waren neben Schülern, Lehrern und den Bewohnern des Stadtviertels auch alle 1700 bisherigen Absolventen sowie deutschsprachige Freunde aus dem In- und Ausland. Ein Report von Detlef Lang über eine Schule der etwas anderen Art.

Das Festprogramm umfasste Chorkonzerte, einen Basar, auf dem selbst hergestellte Arbeiten und Souvenirs der Schüler verkauft wurden, die Präsentation und den Verkauf eines Buches über die Schule sowie Tanz und Musik. Das Fest ging auf eine Initiative des Schuldirektors Vladas Malcevicius zurück, der seit 14 Jahren überaus erfolgreich amtiert.
Nach verschiedenen Namensänderungen in ihrer Geschichte hei?t die Schule seit einigen Jahren Uzupis Gymnasium. Die Schule kann für sich in Anspruch nehmen, auf die in Litauen längste Tradition in der schulischen Vermittlung der deutschen Sprache zurückblicken zu können. So stellt das Uzupis Gymnasium heute etwa mit Andreas Rodenbeck den einzigen sogenannten Programmlehrer für den Erwerb des Deutschen Sprachdiploms der Stufe 11 in Vilnius und Umgebung.
Derzeit werden 500 Schüler in vier Klassenstufen, beginnend mit der 9. Jahrgangsstufe, von insgesamt 45 speziell qualifizierten und fortgebildeten Lehrern unterrichtet. Als erste Fremdsprache ist Deutsch, sechs Lehrer, oder Englisch, vier Lehrer, möglich. Als zweite Fremdsprache stehen Deutsch, Englisch oder Russisch, zur Auswahl. Zudem wird den Schülern die Möglichkeit gegeben, zusätzlich Japanisch, Französisch oder Türkisch zu lernen.
Von der 11. Klasse an können die Schüler unter zwei Ausrichtungen wählen – einem humanistisch-sozialen Zweig mit zwei Sprachen sowie Sozialwissenschaften oder einer stärker naturwissenschaftlich orientierten Ausrichtung mit Biologie, Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften. Etwa 90 Prozent aller Uzupis-Absolventen, ein aussergewöhnlich hoher Anteil also, studieren nach dem Abitur an einer Hochschule.
Nach Aussage von Direktor Malcevicius stehen „für uns der Schüler und seine Persönlichkeit im Mittelpunkt". So war etwa Uzupis eines der ersten litauischen Gymnasien, das die Rechte und Pflichten von Schülern und Lehrern schriftlich in einem Dokument fixierte.
Eine weitere Besonderheit ist auch die eigene schulische Selbstverwaltung: Hier wird ein Schülervertreter gewählt, eine Zeitung herausgegeben und eigene Projekte und Veranstaltungen entwickelt.
Ein wichtiger Sponsor des Gymnasiums ist die deutsche Robert Bosch Stiftung; Kooperationen und Partnerschaften bestehen unter anderen mit dem Wernher von Braun-Gymnasium aus Neuhof im deutschen Bundesland Hessen und dem Rämibühl-Gymnasium in Zürich.
Die freundschaftliche Beziehung mit dem Zürcher Literatur- und Realgymnasium wird durch einen musikalischen Austausch gefestigt. Der Chor aus Uzupis und das Orchester aus Zürich gaben im September 2003 gemeinsame Konzerte in Zürich und Thun. Als Gegenbesuch zur Schweiz-Reise der Litauer unternahm das Rämibühler Orchester Ende März/Anfang April 2004 eine einwöchige Reise nach Vilnius. Manuel Walker, Schüler-Mitglied des dreiköpfigen Orchester-Präsidiums: „Wir haben auf dieser Konzertreise viele neue Erfahrungen gemacht und wertvolle Erlebnisse aus Litauen mitgenommen."
Höhepunkt waren zwei gemeinsame Konzerte des Chors aus Uzupis und des Orchesters aus Rämibühl im Alten Rathaus von Vilnius und in der Aula des Gymnasiums, unter anderen mit Auszügen aus Peter Tschaikowskys Ballett „Schwanensee" und dem litauischen Lied „Meine Heimat".
Chorleiterin Nijole Zyliene zur musikalischen Kooperation: „Durch diese Freundschaft entfalten die jungen Menschen nicht nur musikalische Fähigkeiten, sondern entwickeln auch ihre Persönlichkeit weiter." Und die Musikologin des Gymnasiums Janina Mazintiene ergänzt: „Wir wünschen uns, dass sich die Freundschaft zwischen dem litauischen und dem schweizerischen Gymnasium noch vertieft und die Erfolge beider Ensembles auch künftig viele Musikfreunde erfreuen."

Baltische Rundschau 5/2004

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